Karl Karner, AFFUS II, Kunsthalle Feldbach, 2020

INSTALLATIONSANSICHT: Karl Karner, 2020, AFFUS II, Kunsthalle Feldbach

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Installationsansicht: Karl Karner, 2019, AFFUS, Galerie Kandlhofer, Wien.

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Installationsansicht: Karl Karner, AFFUS, 2019, Galerie Kandlhofer, Wien.

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Installationsansicht:Karl Karner,AFFUS, 2019, Galerie Kandlhofer, Wien.

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Installationsansicht: Karl Karner, Überraschungsei, 2017.

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Installationsansicht:Karl Karner, AFFUS, 2019, Galerie Kandlhofer, Wien.

karl karner überraschungseier

Das Urverlangen nach Auf- sowie Erklärung ist dem Menschen inhärent und dient der Erforschung aller Fragen des Seins in der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Eine ausgeprägte, moderne Form dieses Verhaltens manifestiert sich in der Betrachtung von Kunst, die eine Forderung nach Vermittlung und Analyse massenhaft generiert. Rationalem Denken liegt eine Abhängigkeit von Autorität und erhaltener Meinung zugrunde. Eigene Ideologien werden laufend angepasst, um die beste Übereinstimmung mit ausgewählten Quellen zu erzielen. Die Erkenntnis und das Verständnis, dass die betrachtete Kunst nicht ausschließlich Repräsentation ist, sondern vor allem Produktion, sind dabei essenziell. Das schließt das Werk an sich mit ein, das uns als Betrachterinnen und die Form des Wahrnehmens produziert, genauso wie die Vermittlung davon. Kontext, sowie die Akkumulation unterschiedlicher Standpunkte und Ansätze sind die Basis aufgeklärter, gut recherchierter Arbeit. Dies bedeutet jedoch auch ein Verwerfen der Idee des individuellen Reagierens und Handelns bei der uns innewohnenden Suche nach Antworten. Daraus ergibt sich das wohlbekannte Dilemma: Bei der Beschäftigung mit Kunst führt weder vollkommene Unvoreingenommenheit noch das Zusammentragen von jeglichem verfügbaren Wissen zu echtem, intrinsischen Erkenntnisgewinn. Karl Karners Werkserie der Überraschungseier ist eine Auseinandersetzung mit diesem Diskurs und analysiert eine Neudefinition sowie alternative Konzeption der Betrachterrolle.
Karners Überraschungseier präsentieren sich zunächst als in Größe variierende, zylindrische Formen aus sprödem Material, das an Stein, Ton oder Gips erinnert. Bei manchen der Überraschungseier sind Ausbrüche sichtbar, die den Blick auf ein glänzendes Material im Kern freilegen, das – nicht zuletzt aufgrund des Titels – Neugierde und ein Bedürfnis nach Erklärung erweckt. Der geforderte Kontext findet sich zunächst im Entstehungsprozess der Überraschungseier. Das Kernstück der Schamottummantelung bildet ein Aluminiumguss, der in seiner Herstellung Karners Skulpturen der Samtkasten - Serie gleicht. Jenen abstrakten Werken liegt ein Modell aus heißem Wachs zugrunde, dem vom Künstler unter Wasser wie durch einen choreografischen Prozess scheinbar zufällig eine Form gegeben wird. Das Wachsmodell wird in Schamott eingefasst und bei großer Hitze stundenlang im Ofen gebrannt. Die so entstandene Gussform wird anschließend mit Aluminium ausgegossen. Während die für den Künstler markanten, in ihrer Vielfalt individualisierten Skulpturen in Farbe, Form und Größe variieren, endet bei Karners Überraschungseiern der skulpturale Schaffensprozess vor dem Herausschlagen aus der umschließenden Form. Der weitere Zustand der Skulpturen wird von der Künstlerhand in die der Akteure gelegt. Die Beteiligten können nun den Schamottzylinder mit Werkzeug abtragen und die verborgene Skulptur freilegen, in der Natur von der Verwitterung langsam öffnen lassen, diesen nur partiell oder überhaupt nicht öffnen. Karl Karner fordert auf, sich aktiv an der Skulptur zu beteiligen. So werden wir mit der Ungewissheit konfrontiert, was den Ausgang dieses Appells betrifft.
Karners Überraschungseiern liegen keine Instruktionen bei, wie mit dem von ihm erschaffenen Werk umzugehen oder fortzufahren ist. Vielmehr reversiert er die Rolle und begibt sich in eine observierende, abwartende Position, die eine Reaktion von seinem Gegenüber erwartet und dieses als nicht mehr rein voyeuristisch apostrophiert. Die Betrachterinnen sind aus dem normativen Vermittlungsdiskurs herausgerissen und gezwungen, nicht passiv aufzunehmen, sondern aktiv und instinktiv zu erleben. Die Überraschungseier Karl Karners sind Kunstwerke, die nur durch die Hilfe anderer funktionieren und gleichzeitig individuelles Handeln unabdingbar machen. Hierbei ist die Einbeziehung nicht auf ein Individuum fokussiert, sondern kann in einem performativen, gemeinschaftlichen Akt ausgeführt werden. Das Herausschlagen, das Aufbrechen zusammen mit anderen oder alleine trägt das Potenzial in sich, das instinktive und individuelle Verhalten der Menschen hervorzubringen. Es wird deutlich, dass sich vermeintliche Individualität oft auf die Uniformität der Masse verlässt und ein Verständnis für das eigene Tun und Handeln an zweite Stelle reiht. Die Überraschungseier verlangen jedoch die Auseinandersetzung mit diesem und fördern somit generell ein intuitiveres Verhalten und Denken.
Lena Csermak

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Installationsansicht: Karl Karner, Überraschungsei, 2017.